Ein neuer existenzieller Krieg – Teil II: Die Kriegsführung hat sich verändert und mit ihr muss sich das israelische Sicherheitskonzept verändern

Originalartikel: A New Existential War – Part II: Warfare Has Changed, and the Israeli Security Concept Must Change With It
von Maj. General (res.) Gershon Hacohen*, 3. Januar 2024

Kurze Zusammenfassung: Am Morgen des 7. Oktober 2023 kollabierte das strategische israelische Sicherheitskonzept und markierte damit das Ende der 30-jährigen Ära seit den Osloer Abkommen. Mit der schockierenden Kraft eines Erdbebens zerfiel ein kulturelles Konzept, das seine Wurzeln in dem Traum von Frieden und in der Illusion hatte, der Staat Israel könnte danach streben, eine Art Dänemark zu werden, komplett. Wenn Israel im Krieg gegen die Hamas den Sieg erringen will, wird es sein Sicherheitskonzept anpassen müssen, um ein neues und tieferes Verständnis der Wahrnehmung des Feindes über das Wesen seines Kampfes mit Israel zu reflektieren.

Als Folge des 7. Oktobers befinden sich der Staat Israel, seine Gesellschaft und all seine Institutionen an einem kritischen Scheideweg. Ein Weg vorwärts erfordert eine gründliche Untersuchung und Prüfung von allen Dingen, die an diesem Tag schief gelaufen sind, so dass die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden können. Der zweite Weg lenkt Israel in Richtung einer umfassenden Ermittlung durch alle Dimensionen und fordert die Formulierung eines neuen und aktualisierten nationalen Narrativs angesichts der existenziellen Herausforderung. Die Frage ist, welcher dieser zwei Wege ist es wert, dass man ihn verfolgt?

Dieser Artikel ist in drei Teile unterteilt. Der erste prüft die Ursachen für das Versagen des 7. Oktobers und Israels Wahrnehmung des Kampfes der Gegenseite. Dieser Artikel, der zweite, beschreibt die Art und Weise, wie sich die israelische Sichtweise auf ihre Sicherheit entwickeln muss, um auf die Wahrnehmung des Kampfes durch die gegnerische Seite eine angemessene Antwort zu haben. Der dritte präsentiert die Komponenten der nationalen Vision und die Handlungsprinzipien, die angesichts der sich abzeichnenden Bedrohungen die Existenz des Staates Israel gewährleisten.

Israels Kühnheit in seinem Bodenangriff als eine Leistung für sich

Es gibt Experten und Berichterstatter, die die Erfolge des gegenwärtigen Krieges mit Skepsis prüfen. Sie verleugnen nicht die Erfolge der IDF in den schweren Gefechten im Gazastreifen, die eine noch nie dagewesene Koordination von Boden-, Luft- und Seekräften einbindet. Jedoch warnen sie vor übermäßigem Enthusiasmus über taktische Erfolge und weisen darauf hin, dass die Hamas-Organisation, ihre Führer und ihre Kämpfer noch nicht gebrochen sind. Sie weisen darauf hin, dass es zu diesem Zeitpunkt noch unklar ist, wie alle Erfolge der IDF in einen greifbaren strategischen Erfolg eingebunden werden können. In der Geschichte der Kriegsführung gibt es klare Beispiele von Armeen, wie beispielsweise die US-Armee in Vietnam, die Schlachten gewinnen, jedoch den Krieg verlieren. Krieg ist ein komplexes und nicht kontrollierbares Phänomen.

Und doch, trotz der Ungewissheit bezüglich der Fortführung des Krieges, seines Ausgangs und der Konsequenzen für die zukünftige Sicherheit des Staates Israel, hat die IDF am 27. Oktober tief in Gaza-Stadt hinein einen Bodenangriff gestartet, sie haben den Rubikon einer Jahrzehnte alten israelischen Befürchtung überschritten, wodurch sie schon an und für sich eine bedeutende Leistung vollbrachten.

Bisweilen haben unsere Gegner, unsere Situation verstehend, auf unsere internen Verwicklungen hingewiesen. In einem Interview vor 14 Jahren beschrieb Bashar al-Assad zum Beispiel die Situation Israels folgendermaßen:

Israel wird mit der Zeit militärisch stärker. … Es hat ein größeres Zerstörungspotenzial, ist aber weniger in der Lage, militärische Ziele zu erreichen, und folglich weniger in der Lage, politische Ziele zu erreichen. Deswegen bewegt es sich von Misserfolg zu Misserfolg. … Heute gibt es kein israelisches System in den Territorien der anderen Seite. Es ist ein strategisches Prinzip. Heute befindet sich Israels System „innen“. Also hat sich die Karte verändert. Israel weiß nicht, wie es mit dieser Karte umgehen soll. (Alaspir, 25. März 2009)

Die Sorge der israelischen Führung in den vergangenen Jahrzehnten bezüglich des Einsatzes von Bodentruppen in feindlichem Territorium stellt eine Krise in der israelischen Sicherheitswahrnehmung dar. Sie spiegelt eine Furcht vor den mit dem Eintritt in einen Krieg verbundenen Ungewissheiten wider und bedeutet grundsätzlich einen Schritt ins Unbekannte. Am Scheideweg, an dem die Entscheidung, eine Offensivoperation mit Bodentruppen zu beginnen, getroffen wird, zögerte die politische Ebene, solch einen potenziell komplizierten Schritt zu tun, weil er einen Kontrollverlust bedeuten und dazu führen könnte, dass das gewünschte Ziel nicht erreicht wird.

Diese problematische Dynamik war in der Operation Cast Lead [Operation Gegossenes Blei] Ende des Jahres 2008 offensichtlich. Es entstand ein Konflikt zwischen dem Ministerpräsidenten Ehud Olmert, der auf ein entschiedenes Vorgehen gegen die Hamas drängte, und dem Verteidigungsminister Ehud Barack, der danach trachtete, die Operation zu beenden, bevor die Dinge ins Ungewisse eskalierten. In diesem Konflikt setzten sich der Verteidigungsminister und der Generalsstabschef durch.

Der Wunsch, ausgedehnte und anhaltende Bodenkriege zu vermeiden, wurzelt tief in der israelischen Kultur. Trotz zahlreicher technologischer Innovationen bei der Ausrüstung für einen Bodenkrieg, verkörpert der Bodenkrieg die grundlegende Natur eines Krieges wie sie in der industriellen Ära verwurzelt war. Es ist eine massive Aktivität, die die physische Reibung mit Terrain und feindlichen Kräften einbezieht, in erster Linie in einer mechanisierten Form. Es umfasst Kämpfe in Staub, Schlamm und Gräben. Eine Gesellschaft, die im High-Tech und Informationszeitalter lebt, fällt es nicht leicht, in die physischen Reibungen eines Bodenkrieges zu investieren.

Angesichts dessen muss die Kühnheit der IDF-Führung und des Kriegskabinetts, die IDF für einen Angriff tief in Gazas dicht bevölkertes, beengtes und befestigtes urbanes Terrain sowohl über als auch unter der Erde einzusetzen – mit einer nie gesehenen Intensität, nicht einmal im Krieg der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten gegen ISIS in Mosul – als Leistung von strategischer Bedeutung angesehen werden. Wie bei einer Pilgerreise, in der die Reise so wichtig ist wie das Ziel, hat der gewagte und entschlossene Weg, den die Streitkräfte der IDF auf ihrem Weg zur Erreichung der Kriegsziele genommen haben, schon eine ganz eigene Bedeutung.

Vor allen Dingen zeigt die Entscheidung, den Angriff auf das Kernstück der Hamas-Herrschaft in Gaza zu fokussieren, welche Bedeutung die urbane Umgebung für die Hamas hat. Die dichte, zugebaute Umgebung spielt eine zentrale Rolle als eine Art kulturell-religiöser Schoß für die Organisation. Professor Yuval Portugali thematisiert in seinem neuen Buch The Second Urban Revolution [Die zweite urbane Revolution] den kulturellen Aspekt des Krieges, der sich auf die Herzen der Städte konzentriert und nennt ihn die „Urbanisierung der Kriegsführung“.

Es stimmt, dass im vergangenen Jahrhundert, besonders im Zweiten Weltkrieg, die Städte zu Schlachtfeldern wurden. Jedoch war die urbane Kriegsführung nur ein Teil des gesamten Kriegseinsatzes. Im Krieg, der von der IDF im Herzen des Gazastreifens geführt wird, dient die Stadt selbst mit ihren reichen kulturellen und religiösen Institutionen sowohl als Front als auch Brennpunkt des Konflikts. Die Fähigkeit der IDF, erfolgreich im Herzen der Stadt zu operieren, sollte als eine Leistung auf höchstem Niveau angesehen werden.

Warum wird der Krieg verlängert und was sollte uns diese Verlängerung über das Sicherheitsverständnis Israels lehren?

Der politischen und militärischen Führung war klar, dass sie auf einen verlängerten Krieg zusteuerten und sie erklärten das von Anfang an. Jedoch fällt es der Öffentlichkeit, darunter auch Veteranen der früheren israelischen Kriege, schwer zu verstehen, warum dieser Krieg länger andauern muss als jeder andere Krieg, den das Land seit dem Unabhängigkeitskrieg erlebt hat.

Als Ben-Gurion das israelische Sicherheitsverständnis formulierte, erkannte er die grundlegende Schwäche des Staates Israel hinsichtlich seiner Fähigkeit, einem längeren Krieg zu trotzen. Dementsprechend erwartete er von der IDF, dass sie Kriege entscheidend und schnell gewinnen und entwickelte eine offensive Kampftruppe mit der Anweisung, jeden Konflikt so schnell wie möglich auf das Gebiet des Gegners zu verlagern. Diese Sichtweise wurde von General Israel Tal in seinem Buch National Security – The Few Against the Many [Nationale Sicherheit – Die Wenigen gegen die Vielen] ausgearbeitet.

Die israelische Notwendigkeit, Kriege schnell zu beenden, wurde klar verstanden und in die Perzeption der Kriegsführung, die von der Hisbollah und der Hamas mit der Rückendeckung des Iran entwickelt wurde, wirksam integriert. Sie formulierten ein Konzept der Kriegsführung, das darauf abzielte, die entscheidenden Fähigkeiten Israels schnell zunichte zu machen. Ihr Konzept beruht auf zwei systemischen Komponenten. Die erste ist ein umfassendes Raketensystem, das die gesamte Tiefe des Gebietes abdeckt und es ermöglicht, für einen längeren Zeitraum effektiv auf israelisches Territorium zu schießen, selbst nachdem die IDF in weite Teile des gegnerischen Gebiets eingedrungen sind. Die zweite beruht auf dichte Verteidigungslinien, die Hindernisse und Sprengkörper bergen, sowohl über als auch unter der Erde, im Herzen von bebauten Flächen der Städte und Dörfer. Unter diesen Bedingungen wird ein schneller Vorstoß in feindliches Gebiet zu einer sehr komplexen Aufgabe.

Nachdem die Panzertruppen der IDF in Konflikten wie dem Sinai- und dem Sechs-Tage-Krieg die erste Verteidigungslinie durchbrochen hatten, drangen sie in feindliches Gebiet vor, indem sie sich Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit zunutze machten und rasche Entscheidungen trafen. Der gegenwärtige Konflikt spiegelt die Art und Weise wider, wie die Hamas und andere Terrororganisationen aus diesen Kriegen gelernt und ihre Verteidigungsstrategien anpassten haben. Das Verteidigungssystem, das sie entwickelt haben, unterscheidet sich von dem, das traditionell im Wüstenkrieg benutzt wird.

Der Feind nahm erhebliche Änderungen an seinen Kommando- und Kontrollmethoden vor. Die Organisation der Kriegsführung der Hisbollah und der Hamas ist tendenziell dezentralisiert, was jedem lokalen Kämpfer erlaubt, unabhängig zu kämpfen, sogar ohne Befehle. In den vergangenen Kriegen hatte die IDF durch ihre gezielte Angriffsführung auf Kommando- und Kontrollzentren direkten Einfluss auf die Schwächung des Gegners, aber das ist nicht länger der Fall.

Seit Jahren hat sich die Kriegsführung auf urbane Gebiete konzentriert – besonders im Fall der organisierten lokalen Netzwerke der Hamas. In der Operation Sinai im Jahr 1956 drang eine relativ kleine Spezialeinheit (ein Aufklärungsbataillon der 37. Division) in den Gazastreifen ein, gefolgt von einer Reserveinfanteriebrigade, die mit Bussen ankamen (Reserve Brigade 11) und eroberte den gesamten Gazastreifen in einer schnellen Aktion. Nach der Kapitulation des ägyptischen Kommandanten vor dem IDF-Brigadegeneral Asaf Simhoni verließen die ortsfremden ägyptischen Soldaten entweder das Gebiet oder ergaben sich. Ähnliche Ereignisse passierten im Sechs-Tage-Krieg, als ägyptische Streitkräfte aus den Delta- und Nil-Regionen Ägyptens als eine Expeditionstruppe ankamen.

Dementgegen ist im aktuellen Konflikt im Gazastreifen die Militärmacht des Gegners in Batallionen und Brigaden organisiert, die sich aus Ortsansässigen zusammensetzen. Die Shejaiya-Batallion wird z.B. zusammengestellt aus Kämpfern und Kommandeuren der Shejaiya-Region, während die Khan-Yunis-Brigade aus Bewohnern von Khan Yunis besteht. Dieses Muster wiederholt sich im ganzen Gazastreifen. Selbst innerhalb der Befehls-Hierarchie sind lokale Verbindungen maßgeblich. Wenn die IDF-Streitkräfte tief in das Gebiet eindringen, können die Hamas-Kämpfer, die vor Ort sind, ihre Positionen verlassen und sich leicht unter die Bevölkerung mischen, bereit, um bei passender Gelegenheit wieder aufzutauchen. Das ist der Grund, warum Operationen, um den Gazastreifen zu räumen oder die Hisbollah im Südlibanon zu bekämpfen, einen umfangreichen Truppeneinsatz und eine längere Dauer erforderlich machen.

Eine weitere signifikante Veränderung ist im religiösen Bewusstsein der Jihadisten verankert, das die Kräfte motiviert, die in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurden, um den Staat Israel zu bekämpfen. Auf die Niederlage der arabischen Armeen im Juni 1967 zurückblickend, sagte Khaled al-Qaradawi: „Dass wir zum Glauben zurückkehren und das Banner des Jihad erheben ist in jedem Kampf lebensnotwendig, aber besonders entscheidend gegen den globalen Zionismus, denn die Zionisten stärken ihre Soldaten mit religiösem Glauben und religiösen Träumen.“ (Uriya Shavit und Ofir Winter, Enemies of My Enemies [Feinde meiner Feinde], 2013, S. 88). In diesem Geist führte Abdullah Azzam, in einem Dorf nahe Jenin geboren, den Kampf der Mujaheddin in Afghanistan. Davon inspiriert wurde die Hamas-Bewegung zwei Tage nach dem Ausbruch der ersten Intifada im Dezember 1987 gegründet. Wenn die IDF der Hamas und der Hisbollah gegenüberstehen, begegnen ihnen islamische Kämpfer, die Gläubige sind, was eine vorher nicht erkannte Herausforderung darstellt.

Um eine neue israelische strategische Perzeption zu formulieren, wird es erforderlich sein, die Gründe für die Verlängerung des gegenwärtigen Krieges und den Charakter der gegenwärtigen Bedrohungn für den Staat Israel zu untersuchen. Dabei wird es notwendig sein, sich von dem Konzept des Rückzugs zu trennen. Dieses Konzept wird noch von früheren hochrangigen Sicherheitsbeamten mit dem Argument aufrechterhalten, dass die IDF mit ihrer technologischen Überlegenheit immer zu dem Siegesmuster des Sechs-Tage-Krieges zurückkehren können, als ob die technische Überlegenheit der IDF bedeutete, sie könnten auf die Notwendigkeit der territorialen Tiefe verzichten und schnell gewinnen, sogar über die Grenzen von 1967 hinaus. Die IDF sind seit Juni 1967 nicht schwächer geworden, jedoch haben sich Israels Feinde verändert. Sie haben sich kreativ weiterentwickelt und sind viel stärker. Das hat entscheidende Auswirkungen auf die Zukunft des Staates Israel.

Der Sieg wird von den Nachkriegsvereinbarungen und von der Beendigung des Konzepts des israelischen Rückzugs aus dem Territorium abhängen

Eine präzedenzlose israelische Koalition hat sich gebildet, die auf die Fortführung des Krieges besteht, bis seine Ziele erreicht sind. Linke wie die Führer der Genfer Initiative für eine Zwei-Staaten-Lösung, wie etwa Oberst Shaul Arieli, bringen diese Forderung zum Ausdruck. Jedoch, trotz der Dringlichkeit, ist die nationalistische Festlegung des Krieges gegen die Hamas von kurzer Dauer. Sie entstand als Reaktion auf eine ernstliche Notlage und scheint bis zu Israels unvermeidlichem Sieg eine vorübergehende Situation zu sein. Es ist zweifelhaft, ob das eine gesellschaftspolitische Richtung für die Zukunft anzeigt. Nur die Zeit wird es erweisen.

Diejenigen, die während einer Krise an die Spitze kommen, gewinnen große Unterstützung und vereinen die Reihen der Kämpfer. Aber abseits des Schlachtfeldes scheint dieser Geist die Führer im gesellschaftspolitischen Diskurs nicht zu beeinflussen. Dieses Engagement für den Krieg mit all seiner Dringlichkeit beruht auf zwiespältigen israelischen Träumen, die sich weiterhin den Siedlungen widersetzen. Fürsprecher der Zwei-Staaten-Lösung, Yossi Beilin und andere eingeschlossen, sehen den Krieg gegen die Hamas als historische Gelegenheit, ihre Vision voranzubringen. Für sie bedeutet das Verschwinden der Hamas-Herrschaft die Beseitigung eines Hindernisses, das der Umsetzung des Plans einer Zwei-Staaten-Lösung im Weg steht. Ihr erneuter Vorstoß für den Plan, der einen weitgehenden israelischen Rückzug aus dem Westjordanland und sogar die Räumung von Siedlungen einbezieht, deckt sich mit den Erwartungen der amerikanischen Regierung.

Die Unterstützung der Idee einer Zwei-Staaten-Lösung durch ehemalige Beamte des Sicherheitsapparats war und bleibt auf der Annahme gegründet, dass selbst bei einem Rückzug auf die Grenzen von 1967 Israel in der Lage sein wird, seine Souveränität und die Sicherheit aller Bewohner mit der eigenen Streitmacht zu verteidigen. Von einem „professionellen“ Standpunkt aus argumentieren sie seit Jahrzehnten, die IDF wären selbst nach Rückzügen immer dazu in der Lage, die Sicherheit Israels zu gewährleisten. Beispielsweise sagt Major General (res.) Dan Halutz in seinem Artikel, in dem er die Forderung der Netanyahu-Regierung nach „verteidigungsfähigen Grenzen“ kritisiert: „Die IDF kann jede Grenze, die die politische Führung festlegt, verteidigen. Es ist erwähnenswert, dass der größte militärische Sieg (nach dem Unabhängigkeitskrieg) im Jahr 1967 errungen wurde, und zwar an der Grenzlinie, die von der Regierungsführung heute präsentiert wird als nicht zu verteidigen …“ (Yehidoth Ahronoth, 16. Januar 2015)

Im Vorfeld des Rückzugsplans aus dem Gazastreifen im Frühjahr 2006 machte Haim Ramon in einem Gespräch mit Ari Shavit eine überraschende Aussage: „Ich glaube, dass es (nach dem Rückzug) ruhig bleiben wird, aber lassen Sie uns annehmen, es gäbe Krieg. Welche Art von Krieg wird das sein? Die IDF mit all ihren Fähigkeiten gegen 3000 – 4000 Mitglieder der Hamas, die mit nichts bewaffnet sind? Wenn die Palästinenser eine Bedrohung darstellen, werde ich das Westjordanland in 24 Stunden erobern. Und warum weiß ich das? Weil es das ist, was ich in der Operation ‚Defensive Shield‘ getan habe … Ich habe das Territorium zurückerobert und die Palästinensische Autonomiebehörde innerhalb eines Tages gestürzt.“ (Haaretz, 18. Juni 2006)

Der Denkansatz der Rückzugsbefürworter hat einen konzeptionellen Rahmen, der auf vier Prinzipien aufgebaut ist:

1. Die territoriale Trennung und die Räumung von Siedlungen wird gemeinsam mit der Festlegung von Grenzen die Reibungspunkte reduzieren und eine Entwicklung in Richtung Stabilität schaffen. Wie Botschafter Martin Indyk zitieren sie das Sprichwort: „Gute Zäune schaffen gute Nachbarn.“

2. Wenn die Stabilität untergraben wird bis zu dem Punkt von nicht tolerierbaren Bedrohungen der Sicherheit, kann die politische Führung die notwendige Entscheidung treffen und die IDF einsetzen, um der Bedrohung in der Tiefe des Gebietes, von dem sie sich zurückgezogen haben, entgegenzuwirken.

3. Der israelische Rückzug aus dem besetzten Gebiet in Verbindung mit dem Einverständnis der internationalen Gemeinschaft, das Ende der Besatzung anzuerkennen, wird Israel die internationale Legitimität für militärische Maßnahmen verleihen, sollte das notwendig werden.

4. Mit ihrer andauernden Überlegenheit können die IDF der Herausforderung begegnen und einen entscheidenden Sieg in wenigen Tagen herbeiführen.

Der am 7. Oktober ausgebrochene Krieg beweist, dass diese Annahmen durch und durch fehlerhaft sind. Der spezielle Sicherheitszaun im Gazastreifen hat den Krieg nicht verhindert und nicht einmal den schnellen Angriff der Hamas verzögert. Der Entscheidungsprozess der israelischen Regierung, eine Offensive zu starten, war schwierig und komplex. Die große Verwirrung an der nördlichen Grenze zeigte auch, wie herausfordernd die Entscheidung für die Führung ist, in die Offensive zu gehen. Die versprochene internationale Legitimität ist weit davon entfernt, umgesetzt zu werden – ganz im Gegenteil – und vor allem haben die IDF keine Möglichkeit, einen schnellen Sieg zu erringen.

Der Sieg wird einen langen und langwierigen Krieg erforderlich machen, voller Schwierigkeiten und Komplexitäten. Hochrangige Sicherheitsbeamte, die eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützen, argumentieren, dass der palästinensische Staat, der im Westjordanland entstehen wird, schwach sein wird. Doch angesichts der Veränderungen, die im Phänomen der Kriegsführung in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt und besonders im Gazastreifen offengelegt wurden, ist dieses Versprechen, wie die Widerstandsfähigkeit der Hamas zeigt, hohl.

Seit mehr als einem Jahrzehnt habe ich mich mit Befürwortern des Rückzugs auseinander-gesetzt und versucht, ihre Sichtweise als distanziert und gefährlich darzustellen. Ich gründete meine Argumente auf umfangreiche Recherche, veröffentlicht von dem Begin-Sadat Center for Strategic Studies im Januar 2019 unter dem Titel: „Withdrawal from Area C in Judäa und Samaria: An Existential Threat“ [Der Rückzug aus der Zone C in Judäa und Samaria: Eine existenzielle Bedrohung].

Diese Recherche umriss die Grundlagen eines Szenarios wie den plötzlichen Angriff durch die Hamas am Morgen des 7. Oktobers. Sie bezog sich auf die Kriegsdoktrin, die unter iranischem Einfluss absichtlich von der Hisbollah und der Hamas entwickelt wurde. Meine Behauptungen basieren auf einer Analyse der Ausprägungen der neuen Form der Kriegsführung, die im 21. Jahrhundert aufgetaucht ist, und betonen die entscheidende Notwendigkeit der territorialen Tiefe im Verteidigungsfall. Die Veränderungen des Phänomens der Kriegsführung, besonders solche, die aus dem Russland-Ukraine-Krieg übernommen wurden, stellen zusätzliche Überlegungen an, die auf die Notwendigkeit einer israelischen Kontrolle über wichtige Gebiete in Judäa und Samaria und im Jordantal hinweisen.

Die sich entfaltende Realität seit Beginn des Krieges am 7. Oktober im Gazastreifen und an der nördlichen Grenze stellt eine praktische Veranschaulichung meiner Aussagen in dieser Recherche dar. Angesichts der Veränderungen in moderner Kriegsführung erscheinen die Befürworter des Rückzugs an einer chronischen Überschätzung der Fähigkeiten der IDF zu leiden und an einer ähnlich gefährlichen Unterschätzung der Fähigkeiten der Feinde.

Die laut ihrer Bewertung vermeintliche Stärke der IDF führt sie zu der Überzeugung, dass die IDF immer in der Lage sein werden, ihre großen Erfolge zu wiederholen, wie beispielsweise im Juni 1967. Aber im Grunde war der Krieg 1967 der letzte militärische Zusammenstoß nach dem Vorbild des Zweiten Weltkrieges. Seitdem hat sich die Welt der Kriegsführung komplett verändert. Einen Sieg nach überholten Mustern erreichen zu wollen ist so, als ob man verlangte, dass sich das Rote Meer noch einmal teilt.

*Gershon Hacohen diente 42 Jahre lang in den IDF und befehligte Truppen im Kampf an der ägyptischen und syrischen Front. Er war Korpskommandeur und Kommandeur der IDF-Militärschulen.

Übersetzung: faehrtensuche

Ein neuer existenzieller Krieg – Teil I: Israels Wahrnehmung der Ziele des Gegners

Originalartikel: A New Existential War – Part I: Israel’s Perception of the Enemy’s Goals
von Maj. General (res.) Gershon Hacohen*, 2. Januar 2024

Kurze Zusammenfassung: Am Morgen des 7. Oktober 2023 kollabierte das strategische israelische Sicherheitskonzept und markierte damit das Ende der 30-jährigen Ära seit den Osloer Abkommen. Mit der schockierenden Kraft eines Erdbebens zerfiel ein kulturelles Konzept, das seine Wurzeln in dem Traum von Frieden und in der Illusion hatte, der Staat Israel könnte danach streben, eine Art Dänemark zu werden, komplett. Wenn Israel im Krieg gegen die Hamas den Sieg erringen will, wird es sein Sicherheitskonzept anpassen müssen, um ein neues und tieferes Verständnis der Wahrnehmung des Feindes über das Wesen seines Kampfes mit Israel zu reflektieren.

Als Folge des 7. Oktobers befinden sich der Staat Israel, seine Gesellschaft und all seine Institutionen an einem kritischen Scheideweg. Ein Weg vorwärts erfordert eine gründliche Untersuchung und Prüfung von allen Dingen, die an diesem Tag schief gelaufen sind, so dass die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden können. Der zweite Weg lenkt Israel in Richtung einer umfassenden Ermittlung durch alle Dimensionen und fordert die Formulierung eines neuen und aktualisierten nationalen Narrativs angesichts der existenziellen Herausforderung. Die Frage ist, welcher dieser zwei Wege ist es wert, dass man ihn verfolgt?

Dieser Artikel ist in drei Teile unterteilt. Der erste prüft die Ursachen für das Versagen des 7. Oktobers und Israels Wahrnehmung des Kampfes der Gegenseite. Der zweite beschreibt die Art und Weise, wie sich die israelische Sichtweise auf ihre Sicherheit entwickeln muss, um auf die Wahrnehmung des Kampfes durch die gegnerische Seite eine angemessene Antwort zu haben. Der dritte präsentiert die Komponenten der nationalen Vision und die Handlungsprinzipien, die angesichts der sich abzeichnenden Bedrohungen die Existenz des Staates Israel gewährleisten.

Physischer und kultureller Kollaps

Die Situation des Staates Israel ist derzeit – so düster sie auch sein mag – dennoch weitaus (kampf-)stärker als zur Zeit seiner Gründung 1948. Aber soweit komplexe strategische Herausforderungen betroffen sind, gibt es sowohl in der militärischen als auch der politischen Führung einen bemerkenswerten Mangel an Kohärenz hinsichtlich der Klärung und Entscheidungsfindung.

Der Generalstabschef und der Militär- und Sicherheitsapparat, die es fertigbrachten, innerhalb von wenigen Tagen eine vollständige, kampftaugliche Mobilisierung an allen Fronten wieder herzustellen und zu organisieren, führen den Krieg an. Aber die nationale Führung hat weitere Verpflichtungen. Sie muss die Kriegsziele lenken und bestätigen. Dabei muss sie für beide Seiten, für sich selbst und für das Volk, die Realität vermitteln, die sich von einem Augenblick auf den anderen verändert hat. Sie muss eine einfache und klare Erklärung bereithalten, wofür Israel kämpft und wer der Feind ist.

Die Art von Geschichte hat sowohl eine physisch-militärische Dimension als auch eine kulturell-spirituelle. Die militärische Dimension, dargelegt im Kriegskonzept des Feindes, wurde vom Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hosseini Salami, am 19. August 2022 so beschrieben: „Die Palästinenser sind bereit für den Bodenkampf. Das ist Israels Schwachstelle. Raketen eignen sich hervorragend zur Abschreckung … aber sie befreien kein Land. Um es zu befreien, müssen Bodentruppen eingesetzt werden, Schritt für Schritt … Die Hisbollah und palästinensische Streitkräfte werden sich in einer vereinten militärischen Struktur auf dem Boden bewegen.“ (MEMRI, 30.08.2022)

In dieser Erklärung liegt die grundlegende Idee des Konzepts der regionalen Kriegsführung, wie sie durch das iranische Regime unter der Leitung von Qassem Soleimani artikuliert und gestaltet wurde: einen Feuerring zu errichten und Kommandotruppen um den Staat Israel herum zu stationieren. Israel, das fortwährend einer Kriegsbedrohung nach dem Muster der Konflikte des letzten Jahrhunderts ausgesetzt war, angefangen vom Unabhängigkeitskrieg bis zum Yom Kippur-Krieg, hat sich abgemüht, die Konsequenzen einer neuen existentiellen Bedrohung zu begreifen, die aus der Konzeption der iranischen Kriegsführung entstehen. Diese Konzeption hat Israel in den Status einer kontinuierlichen Kriegsführung gedrängt, wie eine chronische Krankheit ohne Heilung.

Gerade vor zwei Jahren behauptete der frühere israelische Premierminister Ehud Olmert, dass es möglich sei, die Größe der IDF-Streitkräfte zu verringern: „Es war Ehud Barak, der gesagt hat, dass wir eine kleine und kluge IDF brauchen. Bedauerlicherweise ist die IDF nicht klein; sie ist zu groß und zu teuer.“ (Maariv, 9.04.2021) Viele glaubten, dass in der Ära des Friedens mit Ägypten und Jordanien und mit dem Zusammenbruch der syrischen Armee im Bürgerkrieg, die Ära der Bedrohungen durch staatliche Armeen beendet sei. Namhafte Experten erklärten, dass es zwar weiterhin Bedrohungen von terroristischen Organisationen gebe, diese jedoch keine existentielle Bedrohung für den Staat Israel darstellten.

An einem freudigen Simchat Torah-Morgen wurde Israel schmerzlich wachgerüttelt, dass dies eine gefährliche Fehleinschätzung war. Das Land hatte sich daran gewöhnt, sich auf die nukleare Bedrohung als existentielle Gefahr zu konzentrieren und lenkte seine diplomatische und operative Aufmerksamkeit und auch zahlreiche Ressourcen in diese Richtung. Die Bedrohung durch die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland wurde an die zweite Stelle verbannt. Jedoch, zusammen mit der Bedrohung durch die Hisbollah im Norden, repräsentieren die palästinensichen Terrororganisationen nun eine übergreifende regionale Bedrohung. Der Sieg über diese Bedrohung wird einen grundlegenden mehrdimensionalen Paradigmenwechsel für den Staat Israel und seinen Sicherheitsapparat erforderlich machen.

Auch was die spirituell-kulturelle Dimension betrifft, ist ein neues Narrativ erforderlich. Seit Jahren ist argumentiert worden, dass die wirtschaftliche Entwicklung und der Wohlstand der Palästinenser und der Länder in der Region der Schlüssel seien, Stabilität und Ordneung zu erreichen. Doch die Führung der Hamas hat uns gelehrt, dass ihr Verhalten nicht von der wirtschaftlichen Lage der Palästinenser geleitet wird, sondern von einem tiefen religiösen Grundgefühl. Westliche Kulturbeobachter, die seit Jahrhunderten religiöse Motive von den politischen, diplomatischen und militärischen Erwägungen der Staatsführer getrennt haben, haben kein Instrumentarium, um die Führung des Iran, der Hisbollah und der Hamas zu verstehen, die aus religiöser Überzeugung getrieben werden und ihre tägliche Arbeit glaubensorientiert verrichten.

Die Führung der Hamas im Gazastreifen verkörpert als Ableger der Muslimbruderschaft die neue islamische Integration religiöser, politischer, zivilgesellschaftlicher und militärischer Interessen. Die Brüche und Spaltungen innerhalb der israelischen Gesellschaft über das vergangene Jahr hinweg wurden als ein göttliches Omen angesehen, dass dies die Zeit sei, in der sich die Tore des Himmels öffnen würden, um ihre Erlösung anzukündigen. Muslimische religiöse Führer und militärische Strategen haben vor Jahren vorausgesagt, dass diese Zeit den Anfang des Endes von Israel markieren würde.

Vor zwei Jahren wurde im Gazastreifen eine Konferenz abgehalten mit dem Titel „Das Ende der Tage“, auf der ein Konzept entworfen wurde, um das „Ende der Besatzung“ voranzubringen. Ende des Jahres 2022 erklärte der palästinensische Schriftsteller Bassam Jarrar es als das „Jahr der Umkehr“. Religiöse Träume und Prophezeiungen unter den Muslimen führten zu der Überzeugung, dass die Zeit für die Offenbarung gekommen sei und dass von ihnen militärische Aktionen verlangt würden. Mohammed Deif,, Kopf des militärischen Flügels der Hamas, nannte den gegenwärtigen Krieg „Tufan al-Aqsa“ (in Hebräisch: „Mabul al-Aqsa“) in der Überzeugung, dass durch diesen Kampf eine große kosmische Erlösung entfaltet würde.

Wenn man die Ziele des Krieges definiert, ist es entscheidend, dass die israelische Führung die religiöse Logik versteht, die Israels Feinde lenkt. Auf der physischen Ebene muss Israel danach streben, das regionale System zu zerlegen, das mit der Unterstützung und dem Vorsatz des Iran aufgebaut worden ist. Auf der spirituell-glaubensmäßigen Ebene muss der israelische Sieg so maßgebend sein, dass der Glaube unter der Führerschaft der Hamas, der Hisbollah und des Irans entschärft wird, der Tag der Zerstörung Israels stehe vor der Tür.

Das zentrale Ziel des Krieges für Israel sollte sein, dass nach seinem Ende bei den islamischen Gläubigen, die ihn begonnen und unterstützt haben, eine tiefgreifende Enttäuschung hervorgerufen wird. Sie müssen gezwungen werden zu akzeptieren, dass wieder einmal ihre Zeit nicht gekommen ist und die Tore des Himmels sich nicht vor ihnen geöffnet haben.

Die Al-Muqawama Idee

Durch die vergangenen 40 Jahre hindurch haben radikalislamische Organisationen die Idee eines ideologisch-religiösen Krieges formuliert, der sich an dem Konzept „Al-Muqawama“ orientierte. Kulturell wurde dieses Konzept mit „Widerstand“ übersetzt. Diese Übersetzung lässt bestimmte wichtige Aspekte des ideologischen Inhalts aus, die dem Konzept zugrunde liegen.

Diese Idee stellt eine kulturelle Perspektive auf das Phänomen des Krieges dar, die sich streng von der der westlichen Beobachter unterscheidet. Der westlichen kulturellen Perspektive zufolge ist der Krieg eine Abweichung von der stabilen und friedlichen Ordnung und wird deswegen mit der Intention geführt, diese Ordnung wiederherzustellen. Im Gegensatz dazu sieht das Al-Muqawama-Konzept die Kriegsführung als ein Mittel an, den dauerhaften momentanen Konflikt und den Kampf aufrechtzuerhalten und dient letztendlich dazu, die globale islamische religiöse Eroberung herbeizuführen.

Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Staat Israel ist diese Vision einfach und klar: es ist das Ziel, die jüdische Souveränität über das Land Israel zu eliminieren, jede jüdische Präsenz zu verbannen und Jerusalem zu „befreien“. Folglich nannte – als Israel sich aus dem Libanon zurückzog – Hassan Nasrallah z.B. die Sheba Farms als neues Anliegen, für das man kämpfen müsse und erklärte, der Kampf in dieser Region repräsentiere den Krieg für die Tore Jerusalems. Damit zog er eine Linie und verknüpfte begrenzte und ständige Kampfhandlungen in dem Gebiet der Sheba-Farmen mit Jerusalem, das, seiner Vision entsprechend, eines Tages gänzlich in muslimischer Hand sein wird.

Um das Konzept der Al-Muqawama etwas zu vereinfachen, kann es als die Umkehrung von Clausewitz‘ bekannter Kriegsbeschreibung als „die Fortschreibung der Politik mit anderen Mitteln“ gesehen werden. Die Al-Muqawama Idee betrachtet die Politik als die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln. Dementsprechend werden Verhandlungen nicht als Mittel gesehen, um das Ende eines Krieges herbeizuführen, sondern nur als eine Pause, die seiner Fortführung zu einem günstigeren Zeitpunkt unter besseren Bedingungen dient.

Das Al-Muqawama als ein Konzept des Krieges hat zwei ideologische Dimensionen. Die erste entsteht durch die Pflicht des Gläubigen, die Initiative zu ergreifen, eine Idee, die man auch in jüdischen kabbalistischen Lehren findet, die die Verantwortung der Menschen betonen, in der Welt unten aufzuwachen und zu handeln, um so in der Welt oben ein göttliches Erwachen zu generieren. Diese Pflicht umfasst praktische Anstrengungen und Aktivitäten. Zum Beispiel, wenn sich eine Person einem Tsunami gegenüber sieht, ist es zwar klar, dass sie keine Chance hat, sich nur mit einem Eimer zu verteidigen, jedoch hat sie die Pflicht, bestrebt zu sein und mit allem, was ihr zur Verfügung steht, zu agieren in der Erwartung und der Überzeugung, dass diese Aktionen zu ihrer Rettung beitragen werden.

Das war die Denkweise des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat, als er sich entschied, im Oktober 1973 gegen Israel in den Krieg zu ziehen. Sein ultimatives Ziel war, die gesamte Halbinsel Sinai für Ägypten zurückzuerobern. Er wusste, dass er dieses Ziel militärisch nicht erreichen konnte. Im Bewusstsein dieser Kluft entwarf er ein Konzept des Krieges, das auf der Erwartung basierte, dass durch seine Bemühungen, die Kriegsfolgen zu minimieren, etwas Großes, außerhalb seiner Kontrolle Liegendes, entstehen und ihn zu seinem Ziel bringen würde.

Aus dieser Perspektive können wir die Logik verstehen, die von Yahya Sinwar bei seiner Entscheidung angewendet wurde, am 7. Oktober einen Krieg anzufangen. Nachdem die Hamas ihre Pflicht erfüllt hatte, die Initiative zu ergreifen und zu agieren, würden sich aus seiner Sichtweise später Tendenzen entwickeln, die die göttliche Absicht voranbringen würden. Wenn beispielsweise der Krieg dazu führt, dass Israel gezwungen wird, sich den Forderungen Amerikas nach der Errichtung eines palästinensischen Staates zu fügen und sich aus dem Westjordanland zurückzuziehen, wird Sinwar als siegreich wahrgenommen werden. Trotz der massiven Zerstörung, die er über den Gazastreifen gebracht hat, wird er einen historischen Status erreichen, der nicht geringer ist als der von Saladin.

Die zweite Demension des Konzepts von Al-Muqawama bedeutet eine Verpflichtung von Seiten der Gläubigen, die Realität anzuerkennen, dass der Sieg weder schnell noch garantiert ist. Der Gläubige ist deswegen zur Geduld verpflichtet, im Islam bekannt als „Sabr“. Diese Verpflichtung beinhaltet die Fähigkeit, den Traum vom Sieg ohne Kompromisse beizubehalten selbst um den Preis großer Verluste. Betrachten Sie zum Beispiel die Rede „Cup of poison“ [Tasse Gift], die von dem obersten iranischen Führer Ayatollah Khomeini im Sommer 1988 vor dem iranischen Parlament gehalten wurde. Khomeini sagte in der Rede, dass der Iran die Bedingungen für den Waffenstillstand, die den Iran-Irak-Krieg beendeten, akzeptiert habe und erklärte, dass selbst das, was als Gift erscheine, als der Wille Gottes akzeptiert werden müsse. Auf diese Weise akzeptierte er die Realität, behielt aber seinen Status als Gläubiger bei, der sein Streben nicht aufgab, irgendwann die religiöse Vision der islamischen Revolution zu erfüllen.

Der israelische Sieg wird davon abhängen, ob die Führung beide Dimensionen des Al-Muqawama-Konzepts versteht. Der Sieg hängt nicht nur vom Ausmaß der Errungenschaften auf dem Schlachtfeld ab, sondern von den Tendenzen des Kampfes, die sich in den Tagen nach dem Krieg entwickeln. Die Vision der Hamas wird wahrscheinlich bestehen bleiben – aber Israels Fähigkeit, die jihadistischen Gläubigen zu zwingen, ihre Schwachheit anzuerkennen, ein Zustand, der im Islam als „Marhalaat Al-Isda’ta’af“ bezeichnet wird, erhöht die Chancen einer vorübergehenden Beendigung ihres Kampfes gemäß der Verpflichtung, die „Sabr“-Anweisung der Geduld zu beachten.

Diese Einsicht muss in die Grundlagen der israelischen Sicherheitswahrnehmung einfließen. Israel muss sich des ewigen islamischen Kampfes gegen Israel stets bewusst bleiben. Hinsichtlich umfassender existenzieller Überlegungen reicht diese Wahrnehmung über das Konzept der Abschreckung hinaus, das sich wiederholt als anfällig erwiesen hat.

*Gershon Hacohen diente 42 Jahre lang in den IDF und befehligte Truppen im Kampf an der ägyptischen und syrischen Front. Er war Korpskommandeur und Kommandeur der IDF-Militärschulen.

Übersetzung: faehrtensuche

Die ‚Zwei-Staaten-Lösung‘ ist Terrorismus

Originalartikel: Daniel Greenfield, THE ‘TWO-STATE SOLUTION’ IS TERRORISM,
20. November 2023

„Wir müssen daran festhalten, uns für den Frieden einzusetzen. Wir müssen daran festhalten, einen Weg zu finden, damit Israel und auch das palästinensische Volk gefahrlos leben können, in Sicherheit, in Würde und in Frieden. Für mich bedeutet das eine Zwei-Staaten-Lösung“, lehrte Biden den Israelis während seines Besuches.

Eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der Israel in einen Staat für die Juden und einen Staat für die muslimischen Terroristen aufgeteilt wird, war das Thema von Biden, Regierungsvertretern, Führern der EU und der Medien.

Vor seinem Besuch in Israel rief Biden den Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas, an und vereinbarte ein Treffen mit ihm. Außenminister Blinken hatte einen Tag zuvor ein Treffen mit Abbas.

Laut einem Funktionär von Abbas‘ Fatah-Partei, die die palästinensische Autonomiebehörde leitet, „forderte Blinken sogar vor dem Treffen mit ihm, dass es eine Verurteilung der Anschläge“ der Hamas geben müsse. Aber eine solche Verurteilung fand nicht statt. Trotzdem berichteten die Medien fälschlicherweise, Abbas hätte sich von der Hamas distanziert. In Wirklichkeit wurde die Erklärung ohne Wissen von Abbas in den Mitschnitt eines Telefonats mit dem venezuelischen Diktator Nicolas Maduro eingefügt. Als Abbas das herausfand, ließ er sie entfernen.

Abbas tatsächliche Reaktion auf die Hamas-Morde von Frauen und Kindern war die, dass er die Rechte des „palästinensischen Volkes auf Selbstverteidigung gegen den Terrorismus der Siedler und der Besatzungsmächte“ geltend machte.

Während Biden und Blinken sich auf das Treffen mit dem Terroristenführer vorbereiteten, behauptete eine Terroreinheit, die Teil von Abbas Fatah-Partei ist, dass sie bei den Anschlägen mit der Hamas zusammengearbeitet hätte.

Ein Sprecher der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden brüstete sich, dass sie „zusammen mit den übrigen palästinensischen Widerstandsfraktionen verschiedene Operationen hinter den feindlichen Linien als Teil der ‚Al-Aqsa-Flut‘-Schlacht“ – so die Bezeichnung der Hamas für die Angriffe – ausgetragen hätte und behauptete, „wir töteten und nahmen Besatzungssoldaten gefangen“ als Teil einer „gemeinsamen Operationszentrale“.

Bidens Alternative zur Hamas bestand tatsächlich darin, Israelis in Kooperation mit der Hamas zu töten.

Während die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden auf der Liste der ausländischen Terrororganisationen erscheinen und ihre Finanzierung für Amerikaner ein Verbrechen darstellt, profitiert ihre Mutterorganisation, die palästinensische Autonomiebehörde, von massiven Geldspritzen und politischer Unterstützung aus Washington D.C.

Im letzten Jahr traf sich Biden mit dem Führer der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, und prahlte: „Ich habe die Politik meines Vorgängers rückgängig gemacht und die Unterstützung der Palästinenser wieder aufgenommen – mehr als eine halbe Milliarde Dollar im Jahr 2021.“

Das Treffen zwischen Abbas und Biden fand auf dieser Reise nicht statt, nicht, weil der Führer der freien Welt sich geweigert hätte, einen Terroristenführer zu treffen, sondern weil der Terroristenführer sich weigerte, Biden zu treffen, um gegen Israels Bombardierung der Hamas-Terroristen zu protestieren. Selbst mit einer halben Milliarde Dollar konnte sich Biden nicht einmal einen Fototermin mit dem Terroristen erkaufen, den er gerne an der Spitze eines Landes sähe.

Nichts hat Biden und die Funktionäre aus Washington davon abgehalten, weiterhin über die „Zwei-Staaten-Lösung“ zu sprechen und zu warnen, dass – sollte Israel die Hamas in Gaza besiegen – diese durch die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Terroristen ersetzt werden muss und der Kreislauf von Gewalt und Terror von vorne beginnen würde.

Aber Biden machte sich nicht die Mühe, die „Palästinenser“ zu befragen: 72% von ihnen unterstützen nicht eine Zwei-Staaten-Lösung, in „der ein unabhängiger palästinensischer Staat zusammen mit einem unabhängigen Staat Israel existiert.“ Unter den Jüngeren befürworten nur 16% eine Ko-Existenz mit Israel. 81% von ihnen glauben nicht, dass jemals ein dauerhafter Frieden erreicht werden kann. Zwei Drittel denken, dass das Leben besser war, bevor die Osloer-Abkommen den Prozess der Zwei-Staaten-Lösung einleiteten und ihre Aufgabe unterstützten.

Wenn eine Wahl stattfinden würde, würde der Hamasführer Ismail Haniyeh den Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde mit 58% zu 37% besiegen, was erklärt, warum Abbas seit 2005 keine Präsidentschaftswahlen hat abhalten lassen. Nachdem die Hamas im Jahr 2006 die Parlamentswahlen gewonnen hat, wurden alle Wahlen gestrichen.

Trotz der klaren Beweise für das Gegenteil rief Außenminister Blinken Abbas an, um ihm zu sagen, „dass die Hamas-Terroristen nicht die Palästinenser repräsentierten“. Er erwähnte nicht, dass der einzige Grund, dass sie es nicht tun, darin besteht, dass die Palästinensische Autonomiebehörde keine Wahlen abhält, um ihnen das zu ermöglichen.

Als die Angriffe der Hamas eingesetzt hatten, berichtete Al Jazeera, dass die “Minarette [der Moscheen] im Westjordanland damit begonnen haben, ‚Allahu Akbar‘-Rufe als Ausdruck der Unterstützung“ vorzunehmen und dass „massive Prozessionen an verschiedenen Orten des Westjordanlands … in Jenin, Tubas, Ramallah … in Hebron und Bethlehem …, stattfanden, um die ‚Al-Aqsa-Flut‘-Schlacht zu feiern.“

Das Fernsehprogramm der Palästinensischen Autonomiebehörde freute sich, dass „Gaza ein Schlag gelungen ist, an den sich diese Besatzung noch erinnern wird … Wir sprechen von Dutzenden von Häftlingen und Gefangenen, sowohl von Leichen als auch von gefangenen Soldaten und Siedlern … Heute sind sie im Gazastreifen inhaftiert.“

Der Gedanke, dass die Werte der Hamas fundamental anders sind als die der Fatah und der Palästinensischen Autonomiebehörde und sich diese wiederum von den Werten der unter ihrer Kontrolle lebenden arabischen Muslimen in den Gebieten unterscheidet, entbehrt faktisch jeder Grundlage. Die Politiker fahren damit fort, diese evidenzfreie Behauptung zu wiederholen, weil die Alternative die ist, dass man den Ernst der Lage eingesteht.

Die Zwei-Staaten-Lösung basiert auf einem Mythos und einer Lüge. Sie widerspricht der Geschichte, der Geografie und der Realität. Die jahrzehntelangen Bemühungen um ihre Umsetzung sind an der einfachen Tatsache gescheitert, dass es um Koexistenz und nicht um Territorium geht, und egal, welche unmöglichen Karten gezeichnet werden, die Gewalt wird niemals enden, denn sie hat ihren Ursprung weder in den Kriegen von ’48, ’67‘ oder ’73, noch in Israels Entscheidung, die Grenze zum Gazastreifen zu schließen, nachdem die Hamas die Macht übernommen hatte, noch in irgendetwas, das in den letzten zwei Jahrhunderten geschehen ist.

Der Mythos, dass die aus der PLO hervorgegangene Palästinensische Autonomiebehörde eine gemäßigte Alternative zur Hamas sei, wurde längst als Lüge entlarvt, aber egal wie oft Arafat und dann Abbas ihr wahres Gesicht zeigten, wie viele unschuldige Menschen ermordet wurden, die große Lüge war zu groß, um zu scheitern. Und jetzt, angesichts des schlimmsten Terroranschlags in der Geschichte Israels, ist sie immer noch zu groß, um zu scheitern.

Die einzige Möglichkeit für Biden und den Rest von Washington D.C., die Hamas zu beseitigen, besteht darin, sie durch eine andere Gruppe von Terroristen zu ersetzen, um die „Zwei-Staaten-Lösung“ aufrechtzuerhalten.

Aber es geht nicht nur um eine Terrorgruppe. Hamas und Fatah sind ein Spiegelbild ihres Volkes.

Vor zwanzig Jahren betrat ein als Frau verkleideter Hamas-Terrorist einen Pessach-Seder voller älterer Menschen, darunter auch Holocaust-Überlebende, und zündete eine Bombe, wobei mehr als zwei Dutzend Menschen getötet und über hundert verletzt wurden. Im nächsten Jahr sponserte die Palästinensische Autonomiebehörde ein Fußballturnier, befürwortet von 71% der Befragten, zu Ehren des Terroristen. (Dieselbe Umfrage ergab, dass 74 % der „Palästinenser“ Saddam Hussein unterstützten, 82 % die Hamas als „Freiheitskämpfer“ ansahen und 79 % glaubten, dass Bombenanschläge auf israelische Restaurants und Busse keine „Terrorakte“ seien)

„Die palästinensische Barbarei kennt keine Grenzen“, hatte der Sprecher der israelischen Regierung bitter beobachtet. Das Spektakel von „blutenden und verstörten Überlebenden“, die stöhnende Opfer über einen blutverschmierten Marmorfußboden schleiften, übersät mit Leichenteilen und zerdrückter Matze“ hat einen neuen Standard für das Böse gesetzt. Eine Frau sah „ein kleines Mädchen mit weitaufgerissenen Augen tot auf dem Boden liegen.“ Die letzten Gräueltaten der Hamas waren ähnlich, nur im größeren Ausmaß durchgeführt.

Es gibt in der Tat keine Grenzen für ‚palästinensische‘ Barbarei und keine Grenzen für die Lügen, die der Rest der Welt glauben wird, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Die ‚Zwei-Staaten-Lösung‘ ist die schlimmste dieser Lügen. Wie die von der Hamas massakrierten jüdischen Familien erfahren haben, kann niemand neben Monstern leben, die nur darauf warten, sie zu foltern, zu verstümmeln, zu vergewaltigen und zu töten. Das ist die ‚Zwei-Staaten-Lösung‘.

Bidens Vorstoß für eine ‚Zwei-Staaten-Lösung‘ würde den Gazastreifen von einer islamischen Terrorgruppe an eine andere übergeben. Die Palästinensische Autonomiebehörde leistet Zahlungen an Hamas-Terroristen und ihre Familien im Rahmen ihres ‚Pay-to-Slay‘-Programms. Sie feiert ihre Gräueltaten und kollaboriert mit ihnen.

Das Gemetzel der Hamas hat die Regierung Biden schließlich davon überzeugt, dass die Terrorgruppe verschwinden muss, aber die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigade hat zugegeben, dass die Fatah an den Hamas-Anschlägen beteiligt war. Woher kommt die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigade? Sie wurde von einem Mitglied der Tanzim gegründet, einer anderen Fatah-Terrorgruppe, die für zahlreiche Selbstmordattentate verantwortlich ist, von Arafat gegründet wurde und von Marwan Barghouti angeführt wird.

Barghouti verbüßt zwar mehrere lebenslange Haftstrafen in israelischen Gefängnissen, aber wenn er für das Amt des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde kandidieren würde, würde er laut Umfragen den Hamas-Führer mit 60 % zu 37 % besiegen.

Das ist die Zukunft der ‚Zweistaatenlösung‘.

Die ‚Zwei-Staaten-Lösung‘ bedeutet nicht ein Ende der Gewalt, sie bedeutet fortwährende Gewalt. Wenn wir eine wirkliche Lösung wollen, dann beginnt sie mit der Beendigung unserer politischen und finanziellen Unterstützung für islamische Terrorgruppen in Israel. Das Experiment, den Terroristen einen unabhängigen Staat zu geben, ist gescheitert. Die Zahl der Toten durch die Terroristen der ‚Zweistaatenlösung‘ steigt von Jahr zu Jahr.

Die Lösung für den Terrorismus ist nicht weiterer Terrorismus, sondern die Beendigung des Terrorismus‘.

Übersetzung: faehrtensuche








Die Katastrophe des Jahres 2023

Vic Rosenthal, The Catastrophe of 2023, 9. Oktober 2023

Mir fehlen die Worte, um die Grausamkeit und Brutalität unserer Feinde zu beschreiben. Dazu bräuchte man einen Chaim Nachman Bialik, aber ich bin sicher, dass Sie andernorts Beschreibungen, Fotos, Videos und Aufnahmen von unbeantworteten Hilferufen finden können. Mindestens 700 von uns wurden in einem typisch arabisch-muslimischen Blutrausch ermordet und Tausende verletzt. Mehr als 100 wurden als Geiseln genommen, um in den nächsten Tagen, Monaten und vielleicht Jahren gefoltert zu werden.

Obwohl der Angriff selbst eine Überraschung war, hätte er nicht so schrecklich sein müssen. Das ist es, was sie sind, was sie immer gewesen sind und was sie tun. Über die Motivation der Hamas ist viel geschrieben worden. Wollten sie die Möglichkeit eines israelisch-saudischen Abkommens ruinieren? Wollten sie Katar anspornen, ihnen mehr finanzielle Mittel zu schicken? Die Wahrheit ist einfacher: Sie wollten Juden so grausam wie möglich töten. Ja, sie beabsichtigten, ihre Geiseln dafür einzusetzen, arabische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu befreien, aber das ist nur ein Teilziel. Das langfristige Ziel ist es, genug Juden zu töten, damit der Rest von uns entweder das Land verlässt oder gezwungen wird, die Unterordnung unter arabisch-muslimische Herrschaft zu akzeptieren.

Es gibt auch eine spirituelle/psychologische Zielsetzung. Durch Folter und Mord, durch das Blut ihrer Opfer und ihrer „Märtyrer“ vermehren sie ihre Ehre und schmälern die der Juden. Das stärkt sie und schwächt uns. Auch wenn die meisten im Westen das nicht verstehen, ist die Ehre real, und der Verlust der Ehre kann katastrophal sein. Es wird für Israel nicht reichen, das Territorium des Gazastreifens, das von Judäa und Samaria zu kontrollieren. Um an dieser Stelle zu überleben, müssen die Juden Israels ihre Ehre zurückgewinnen.*

Ich habe auch nicht die Insider-Informationen, um zu erklären, wer in Israel für die Ausfälle verantwortlich war. Wie war es möglich, dass unser Geheimdienst nichts von der Planung mitbekommen hat? Wo waren die Kampfhubschrauber, als die Terroristen durch die Zaunlücken strömten? Wo war die Armee in den ersten fünf Stunden des Angriffs? Wird nicht die Grenze 24 Stunden am Tag sowohl durch hochtechnisierte Sensoren als auch von menschlichen Soldaten überwacht? Haben wir nicht aus dem Jahr 1973 gelernt, nicht alle über die Feiertage nach Hause zu schicken? Ich könnte weiter fortfahren.

Auf all diese Fragen und mehr wird es Antworten geben. Vorausgesetzt, dass der Staat Israel lange genug überlebt, wird es die Untersuchungskommission geben, die alle Untersuchungskommissionen beendet. Politiker und Militäroffiziere werden ihre Jobs mit Schimpf und Schande verlieren. Es wird gesagt werden, dass man daraus gelernt habe. Es werden entsprechende Verfahren eingeführt werden. Aber wir werden nicht hier bleiben, wenn wir nicht in der Lage sind, als Kultur einige Konzepte zu lernen und zu verinnerlichen, die dem Westen anscheinend verloren gegangen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Zum Beispiel die von „Ehre“, „Feind“ und „Krieg“.

Ehre und Abschreckung sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn du dich nicht aggressiv genug gegen die Bemühungen der anderen, dir ein Eigentum wegzunehmen, wehrst, wenn du nicht Vergeltung übst für Verletzungen, die dir zugefügt worden sind, wenn du versuchst, Frieden durch Zahlung von Lösegeld zu sichern, dann sendest du eine Botschaft, dass du Beute (Opfer) bist und du wirst die Beute von Raubtieren sein. Israel hat seit Jahrzehnten in verschiedener Weise Lösegeld an die Hamas gezahlt; dies ist das Ergebnis. Ehre und Abschreckung werden durch unverhältnismäßige Vergeltung erreicht, nicht durch Versuche, die wirtschaftliche Lage des Feindes zu verbessern.

Ein Feind ist jemand, der dich töten will. Der beste Weg, sich gegen einen Feind zu verteidigen, ist (wie die Weisen des Talmud anmerkten) „aufzustehen und ihn zuerst zu töten.“ Israels Herangehensweise zur Selbstverteidigung ist in erster Linie passiv geworden, nicht aktiv. Wir verschanzen uns in unseren Bunkern und versuchen, die Schläge unserer Feinde abzuwehren, wie der Iron Dome demonstriert, eine Einrichtung, die beides ist – unpraktikabel (sie kann überwältigt werden durch massiven Einsatz von Raketen- und Drohnenschwärmen) und ökonomisch nicht aufrecht zu erhalten (jede Abwehr kostet 40.000 US-Dollar, wohingegen Raketen und Drohnen wenige hundert Dollar kosten können). Und dann kommen unsere Feinde mit Motorrädern und Pickups und zerren uns aus unseren „sicheren“ Räumen.

Und schließlich, Krieg ist … Krieg. Das Ziel eines Krieges ist Sieg, die Durchsetzung deines Willens gegen das, was vom Feind übriggeblieben ist, wie es mit Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg geschah. Wenn es keinen Sieg gibt, geht der Krieg weiter. Ein Waffenstillstand, der der Verliererseite erlaubt, sich wieder zu bewaffnen, wie es in zahlreichen vorherigen Kriegen zwischen Israel und der Hamas geschah, ist eine verlorene Schlacht. Die Politik der USA war es immer, Israel den Sieg abstreitig zu machen, aus Gründen, die mir immer noch unverständlich sind, aber irgendwann – wie es Menachim Begin erkannte, als er der Luftwaffe befahl, den irakischen Atomreaktor zu bombardieren – muss Israel den USA die Stirn bieten.

Wenn es das Ziel des Krieges ist, den Sieg zu erringen, dann ist die Politik, ein militärisches Ziel wegen der Anwesenheit von Zivilisten nicht anzugreifen, irrational: Der Feind wird einfach seine Güter unter die Zivilisten platzieren. Die Kriegsgesetze tragen dem Rechnung und erlauben Angriffe, bei denen Kollateralschäden proportional zum militärischenVorteil stehen. Ich muss nicht erwähnen, dass selbst dieser Abmilderungsgrad von den Alliierten im Zweiten Weltkrieg nicht eingehalten wurde, als die strategische Bombardierung sich absichtlich gegen Zivilisten richtete. Israels exzessive Sorge für die „Optionen“ ihrer Aktionen wird von ihren Feinden ausgenutzt – und die feindlichen Medien und NGO’s beschuldigen sie in jedem Fall eines Kriegsverbrechens.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es aufgrund der durch den Krieg verursachten politischen Veränderungen zu großen Bevölkerungsbewegungen. Hunderttausende von „unschuldigen“ ethnischen Deutschen wurden aus im Osten Deutschlands gelegenen Ländern vertrieben. Es erübrigt sich zu sagen, dass Millionen Juden, die den Holocaust überlebt hatten, nicht in ihre früheren Häuser zurückkehren konnten. Als Jordanien im Jahr 1948 Judäa und Samaria eroberte, waren die Juden gezwungen zu fliehen. Ein Sieg über unsere Feinde und Gaza und Judäa/Samaria muss auch zur Emigration vieler führen, die dem Jüdischen Staat gegenüber unerbittlich feindlich eingestellt sind.

Wie also stehen die Chancen, dass Israel seine Politik der Beschwichtigung und der Zahlung von Lösegeldern durch aggressive und notwendigerweise brutale Vergeltungsmaßnahmen austauscht? Ein positives Zeichen ist, dass Israel den Support von Strom und Treibstoff nach Gaza unterbunden hat (aber noch nicht Wasser). Es ist unmöglich, Vorhersagen zu treffen, aber eines ist zu beachten: Diejenigen, die sowohl auf politischer als auch militärischer Ebene die Entscheidungen treffen, sind für die gegenwärtige Politik verantwortlich, und es sieht nicht so aus, als ob sie auf kurze Sicht hin ersetzt werden.

Ich selbst sehe mich nicht als religiöse Person, aber es ist schwer, nicht zu erwähnen, dass die Torah eine sehr harte Vorgehensweise gegenüber Israels historischem Feind, Amalek, vorschreibt. König Saul wurde seines Amtes enthoben, weil er den Befehlt des Propheten Samuel nicht ausführte, die Amalekiter und zwar alle – einschließlich ihrer Kinder und Tiere – auszurotten. Ich plädiere nicht dafür, Kinder oder Tiere zu töten, aber die Politik unserer Feinde, menschliche Schutzschilde zu gebrauchen – was ein Kriegsverbrechen ist – wird notwendigerweise zu einem größeren Kollateralschaden führen. Und wir müssen das verstehen und nicht zurückschrecken vor dem, was notwendig ist, um zu gewinnen – trotz aller Leiden, die das bei den Bevölkerungen des Gegners verursachen wird.

Wir leben im Nahen Osten und nicht in Europa oder Amerika. Moralische Erwägungen nach europäischer Art dürfen hier keine Rolle spielen. Im Nahen Osten ist es so, dass – wenn dich jemand verletzt – du dich rächst – oder sie werden dich wieder verletzen. Wenn du das nicht verinnerlichst, wirst du die Ereignisse hier nicht verstehen.

Wir stehen am Anfang eines langen und wahrscheinlich bösartigen Kampfes, der mit der Zerstörung der Hamas enden kann, mit dem Tod ihrer Führer, und einer enormen Zahl an Flüchtlingen aus Gaza. Oder er kann sich fortsetzen und in einem noch bittereren Konflikt mit der Hisbollah münden und letztendlich mit „dem Kopf der Schlange“ im Iran.

Mögen wir die Kraft erhalten, die wir für den Sieg in all diesen Konflikten brauchen, um den Jüdischen Staat und das Jüdische Volk zu bewahren.

* Entsprechende Parallelen gibt es für die USA und Europa

Übersetzung: faehrtensuche

Die palästinensische Bewaffnung der Sprache

Victor Rosenthal, The Palestinian Weaponization of Language

Eine der Frustrationen des „Friedensprozesses“, wie er von verschiedenen israelischen und amerikanischen Regierungen praktiziert wurde, ist die, dass es systematische Unklarheiten in der Art und Weise gibt, wie wichtige Begriffe von den beiden Seiten verstanden werden. Die palästinensische Ideologie, wie auch der Marxismus seiner ehemaligen Verfechter in den sowjetischen Geheimdiensten, hat einen Jargon, in denen Wörter nicht das bedeuten, was sie für jemanden außerhalb des Kreises bedeuten. Natürlich führt das zu Schwierigkeiten bei den Verhandlungen.

Das ist kein Problem für die israelische Rechte (zu der ich mich selbst zähle). Wir von den Rechten wissen, dass der Disput nicht in einer Weise gelöst werden kann, die für beide Seiten akzeptabel ist. Wir verstehen, dass sich die Ziele des Zionismus und des Palästinensertums widersprechen: Der Zionismus besteht auf einen souveränen jüdischen Staat in Eretz Israel, während das Palästinensertum fordert, dass das ganze Land vom Fluss bis zum Meer unter arabischer Kontrolle steht. Die Rechte realisiert, dass es keine gemeinsame Grundlage gibt und dass der Konflikt dann endet, wenn ein Volk aus dem Land verschwindet und das andere die volle Souveränität besitzt.

Auch für die meisten palästinensischen Araber ist das kein Problem. Sie verstehen auch, dass es keine realisierbare Übereinkunft mit den Juden geben kann. Sie wissen, was sie mit den fraglichen Begriffen meinen; und wenn sie ihrem Ziel dadurch näher kommen können, dass sie es ihren Kontrahenten ermöglichen, sie misszuverstehen, sind sie nicht motiviert, sich besondere Mühe zu geben, um sich besser verständlich zu machen.

Das heißt aber nicht, dass sie versuchen, ihre Überzeugungen, ihre Ideologie und ihre Ziele zu verbergen. Angefangen von den Landkarten, die nur „Palästina“ vom Fluss bis zum Meer zeigen bis zu den Reden ihrer Führer, den Leitartikeln ihrer Zeitungen, sogar den freimütigen Kommentaren von israelischen und palästinensischen Arabern, bestehen sie konsequent auf ihr historisches Narrativ, ihre selbstgerechte Opferrolle, ihren lodernden Zorn und ihre Schmach und ihre Hoffnung und Erwartung, dass sie eines Tages das Land von den Juden befreien werden.

Die sprachlichen Verwirrungen, auf die ich mich beziehe, werden wichtig, wenn „moderate“ Israelis und ihre amerikanischen Förderer anzufangen versuchen, die Quadratur des ideologischen Kreis zu schaffen und mit den Palästinensern für ein Ende des Konflikts zu verhandeln. Obwohl ich gehofft hatte, dass sich dieses aussichtslose Unternehmen nach dem Scheitern der Obama-Regierung nicht wiederholen würde, scheint es unter Biden wieder aufzutauchen.

Hier sind also einige der wichtigen Wörter und Sätze und ihre spezielle palästinensische Bedeutung.

BegriffÜbliche BedeutungPalästinensische Bedeutung
BesatzungMilitärische Kontrolle des Territoriums eines kriegsführenden Landes.Jede jüdische Souveränität zwischen dem Fluss und dem Meer. „Die Besetzung“ begann 1948.
Palästina (politische Entität)Die politische Entität unter britischer Mandatsregierung von 1920 bis 1948.Ein arabisches Land, flächengleich mit Israel, zurzeit von jüdischen Kolonialisten besetzt.
Staat IsraelEin Land, das 1948 nach der Beendigung des Britischen Mandats gegründet wurde.Eine illegitime Entität, die auf palästinensischem Land hockt. Kein echtes Land.
SiedlerEin israelischer Staatsbürger, der in umstrittenen Gebieten lebt.Jeder israelische Jude.
Widerstand gegen die BesetzungOrganisierte Opposition gegen die kriegerische Besetzung.Organisierter Terrorismus gegen die Juden, meist Zivilisten.
Widerstand der BevölkerungAd hoc –Widerstand gegen kriegerische Besetzung.Ad hoc –Terrorismus gegen Juden.
Nicht gewalttätiger Volkswiderstand
Ad hoc-Opposition gegen die kriegerische Besetzung, die keine körperliche Gewalt einschließt.
Ad hoc-Terrorismus gegen Juden mit Waffen mit Ausnahme von Schusswaffen oder Sprengstoff (Steine, Messer, Brandbomben, Autos usw. sind erlaubt).
ApartheidEin auf Rasse basiertes System der Spaltung und Diskriminierung per Gesetz, das alle politischen und sozialen Interaktionen zwischen Menschen umfasst, so wie es in Südafrika vor 1993 der Fall war.
Unterschiedliche Rechte für israelische Staatsbürger und arabische Nicht-Staatsbürger in den Gebieten, diejenigen eingeschlossen, die unter der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde oder der Hamas stehen.
GenozidVorsätzliche Herbeiführung der Zerstörung einer „nationalen, ethnischen [sic!], rassischen oder religiösen Gruppe“ (Völkermordkonvention 1948)
Israelische Restriktionen oder Maßnahmen durch Sicherheitskräfte als Reaktion auf palästinensischen Terrorismus.
Legitime Rechte des palästinensischen Volkes
Menschenrechte und politische Rechte in Übereinstimmung mit der UN-Charta und gemäß den internationalen Verträgen. Insbesondere gibt es im internationalen Recht „kein Recht auf Rückkehr“.Souveränität über das ganze Land und Besitznahme aller darin befindlichen Güter. „Rückkehr“ von etwa 5 Millionen Nachkommen der 1948 geflohenen Flüchtlinge an Orte, aus denen die Vorfahren kamen oder Entschädigung.
Zwei-Staaten-LösungAufteilung des von Israel verwalteten Gebietes zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer und die Gründung einer friedlichen palästinensischen Entität neben Israel, gemäß dem Prinzip der „zwei Staaten für zwei Völker“. Beide Seiten verzichten auf Ansprüche des Territoriums des jeweils anderen. Ende des Konflikts.
Befristete Lösung bis „legitime Rechte“ erlangt werden können. Juden sollen die von Israel im Jahr 1967 eroberten Gebiete räumen; Anerkennung des Rückkehrrechts oder Entschädigung der Flüchtlinge mit einem Zeitplan für die Umsetzung, Jerusalem soll geteilt werden; souveräner palästinensischer Staat soll gegründet werden mit Jerualem als Hauptstadt.
Die Formel „Zwei Staaten für zwei Völker“ wird nicht akzeptiert: die Palästinenser geben ihre Forderung auf die vollen legitimen Rechte, wie oben definiert, nicht auf.

Die oben gelisteten und weitere Unklarheiten machen Verhandlungen (oder jeglichen Diskurs) mit den Palästinensern und ihren Unterstützern kompliziert oder unmöglich. Die Ersetzung des inhaltlichen Diskurses durch die Wiederholung von ideologischem Gerede ist Absicht, denn das Ziel der palästinensischen Bewegung ist nicht Entgegenkommen oder Kompromiss, sondern die Zerstörung des jüdischen Staates, den Tod oder die Vertreibung seiner jüdischen Bewohner und die Gründung eines arabischen Staates vom Fluss bis zum Meer.

Übersetzung: faehrtensuche