Original (Video) : Rabbi Sacks, Seven Principles for Maintaining Jewish Peoplehood
Juden sind ein argumentierfreudiges Volk. Wir sagen „Der Herr ist mein Hirte“, aber kein Jude war jemals ein Schaf. Ich erinnere mich an einen Dialog mit dem verstorbenen großartigen israelischen Schriftsteller Amos Oz, der mit den Worten begann: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich Rabbi Sacks in allem zustimmen werde, aber in den meisten Dingen stimme ich mir selbst nicht zu.“
Unsere Zivilisation ist die einzige, die ich kenne, deren kanonische Texte Anthologien von Argumenten sind. Die Propheten diskutierten mit Gott; die Rabbis diskutierten untereinander. Wir sind ein Volk mit starken Ansichten – es ist ein Teil dessen, was uns ausmacht. Unsere Fähigkeit zu argumentieren, unsere völlige Diversität – kulturell, religiös und in jeder anderen Hinsicht – ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Wenn sie jedoch der Grund dafür ist, dass wir uns entzweien, wird sie schrecklich gefährlich, denn während kein Reich der Welt jemals in der Lage war, uns zu vernichten, haben wir es gelegentlich geschafft, uns selbst eine Schlappe beizubringen.
Das passierte dreimal. Das erste Mal geschah es in den Tagen von Joseph und seinen Brüdern, wenn die Tora sagt: „Sie konnten nicht mehr friedlich miteinander reden.“ Die Brüder verkauften Joseph als Sklaven und doch landeten sie schließlich alle, auch ihre Enkel, in der Sklaverei. Das zweite Mal folgt auf die Fertigstellung des ersten Tempels. Salomo stirbt, sein Sohn übernimmt die Herrschaft, das Königreich teilt sich in zwei Teile. Das war der Anfang vom Ende von beiden – dem nördlichen und dem südlichen Königreich. Das dritte Mal geschah als die Römer Jerusalem belagerten und die jüdischen Männer und Frauen, die im Inneren belagert wurden, mehr darauf konzentriert waren, sich gegenseitig zu bekämpfen als den Feind draußen. Diese drei Spaltungen innerhalb des jüdischen Volkes führten zu den drei großen Exilzeiten des jüdischen Volkes.
Wie denn dann können wir mit dieser Diversität innerhalb eines einzigen Volkes, das durch Schicksal und Bestimmung miteinander verbunden ist, zurechtkommen?
Ich denke, es gibt sieben Prinzipien, die dabei helfen.
PRINZIP 1: Hören Sie nicht auf, miteinander zu reden.
Denken Sie daran, was die Tora über Josef und seine Brüder sagt: „Lo yachlu dabro leshalom“. „Sie konnten nicht in Ruhe mit ihm reden.“ Mit anderen Worten, Reb Yonason Eybeschutz sagt, wenn sie weiter miteinander geredet hätten, hätten sie schließlich Frieden geschlossen. Also, reden Sie weiter miteinander.
PRINZIP 2: Hören Sie einander zu.
Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht über das jüdische Volk. Die gute Nachricht ist die, dass wir zu den besten Rednern der Welt gehören. Die schlechte Nachricht ist, dass wir zu den schlechtesten Zuhörern der Welt gehören. Das „Shema Yisrael“ fordert uns auf, einander auf eine Weise zuzuhören, dass wir wirklich hören, was unser Gegenüber sagt. Wenn wir das tun, entdecken wir, dass es nicht nur ein wirksamer Weg ist, Konflikte zu vermeiden, sondern auch ein zutiefst therapeutischer.
PRINZIP 3: Bemühen Sie sich, diejenigen zu verstehen, mit denen Sie nicht übereinstimmen
Erinnern Sie sich daran, warum das Gesetz Hillel folgt und nicht Shammai. Gemäß dem Talmud war Hillel demütig und bescheiden; er lehrte die Ansichten seiner Gegner noch vor seinen eigenen. Er bemühte sich, den Standpunkt, mit dem er nicht übereinstimmte, zu verstehen.
PRINZIP 4: Trachten Sie nie danach, den Sieg zu erringen
Versuchen Sie niemals, Ihren Opponenten eine Niederlage zuzufügen. Wenn Sie versuchen, Ihrem Gegenüber eine Niederlage zu bereiten, wird Ihr Gegenüber – das ist menschliche Psychologie – versuchen, sich zu revanchieren, indem er Ihnen eine Niederlage zufügt. Das Endergebnis wird sein, dass – selbst wenn Sie heute gewinnen – Sie morgen verlieren werden, und am Ende wird jeder verlieren. Denken Sie nicht in Kategorien wie Sieg oder Niederlage. Denken Sie daran, was das Beste für das jüdische Volk ist.
PRINZIP 5: Wenn Sie Respekt erlangen wollen, erweisen Sie Respekt
Denken Sie an das Prinzip in den Sprüchen: „Wie sich das Angesicht im Wasser spiegelt, so spiegelt sich das Herz des Menschen im Menschen.“ Wie Sie sich anderen gegenüber verhalten, so werden sich die anderen Ihnen gegenüber verhalten. Wenn Sie anderen Juden gegenüber Geringschätzung zeigen, werden sie Ihnen gegenüber auch geringschätzig sein. Wenn Sie anderen Juden Respekt entgegenbringen, werden sie Sie respektieren.
PRINZIP 6: Sie können anderer Meinung sein und sich trotzdem kümmern
Juden werden nie mit allem übereinstimmen, aber wir bleiben eine große Familie. Wenn Sie mit einem Freund nicht einer Meinung sind, kann es sein, dass er morgen nicht mehr Ihr Freund ist. Aber wenn Sie nicht mit Ihrer Familie übereinstimmen, wird sie morgen noch Ihre Familie sein. Letztendlich ist es die Familie, die uns zusammenhält, und das kommt am besten in dem Grundsatz „Kol Yisrael arevim zeh bazeh“ zum Ausdruck – „Alle Juden sind füreinander verantwortlich.“
Denken sie daran, dass das die ultimative Basis des jüdischen Volkes ist. Wie es Shimon bar Yochai ausdrückte: „Wenn ein Jude verletzt ist, fühlen alle Juden den Schmerz.“ Deswegen müssen wir uns anstrengen, uns an die sechste Regel zu erinnern. Letztendlich brauche ich Sie nicht, um mit mir einer Meinung zu sein, ich möchte nur, dass Sie sich um mich kümmern.
PRINZIP 7: Denken Sie daran, dass Gott uns als Volk erwählt hat
Denken Sie daran, dass Gott uns als Volk erwählt hat. Er hat nicht nur die Gerechten zu Seinem Volk erwählt oder nur die Heiligen oder nur die sehr sakralen Menschen, er hat uns alle erschaffen. Das bedeutet also, dass wir als ein Volk vor Gott stehen und als sein Volk stehen wir vor der Welt. Die Welt differenziert nicht, Antisemiten differenzieren nicht. Wir sind vereint durch ein Bündnis der gemeinsamen Erinnerung, der gemeinsamen Identität, des gemeinsamen Schicksals, auch wenn wir unterschiedliche Sichtweisen auf unseren Glauben haben.
Die Weisen haben etwas sehr Beeindruckendes gesagt. Sie sagten: „Der Friede ist wichtig, denn selbst wenn Israel Götzen anbetet und Frieden unter ihnen ist, wird Gott es nie zulassen, dass ihnen Schaden zugefügt wird.“ Das ist eine starke Vorstellung, über die man nachdenken sollte. Also beim nächsten Mal, wenn Sie versucht sind, sich von einer Gruppe von Juden, von der Sie meinen, sie hätte Sie beleidigt, zu entfernen, unternehmen Sie diesen besonderen Kraftaufwand, diese Geste des Zusammenbleibens, des Vergebens, des Zuhörens und der Einigkeit, denn wenn Gott jeden von uns liebt, können wir es dann rechtfertigen, darin zu versagen, auch genau das zu tun.
Übersetzung des Transkripts: faehrtensuche