Originalartikel: Victor Rosenthal, Managing the Unmanageable
10. August 2022
In ihrem ständigen Bemühen, der Realität zu entfliehen, haben israelische Politiker und Meinungsführer sich für ein neues Konzept bezüglich unseres nicht enden wollenden Krieges mit den Arabern von Eretz Yisrael entschieden: den Konflikt nicht zu beenden, sondern ihn zu managen.
Nach einer fast dreißig Jahre andauernden Desillusionierung mit buchstäblich Tausenden von (jüdischen und arabischen) Toten, verstanden endlich alle – bis auf eine winzige Minderheit von Israelis, die in den Fluren von Meretz [eine linke politische Partei in Israel] und in den Kolumnen von Ha’aretz zu finden waren – , dass Slogans wie „Land für Frieden“ oder „Zweistaatenlösung“ Illusionen sind und dass die Versuche, sie umzusetzen, sich als desaströs herausgestellt haben. Natürlich sind diese Ideen unter den europäischen Antisemiten, den US-amerikanischen Juden und vielen aus der amerikanischen Regierung bedauerlicherweise noch populär. Aber das ist eine andere Geschichte.
Leider hat ein neues Hirngespinst, für das sich Micha Goodman in seinem Buch (Englischer Titel: Catch 67: The Left, the Right and the Legacy of Six-Day War) einsetzt, die herrschenden israelischen Eliten erfasst; und obwohl es nicht so gefährlich wie das vorherige Trugbild ist, wird es uns auch nicht zu dem gelobten Land des Friedens führen. In der Tat wird es wahrscheinlich unserer strategischen Position für den unausweichlichen Krieg, der vor uns liegt, schaden. Ich beziehe mich auf die Idee, dass – während es unmöglich ist, den Konflikt zu lösen – es möglich ist, ihn einzudämmen, ihn zu mäßigen, die Gewalt zu mindern: [sprich], ihn zu managen, bis es irgendwann in unbestimmter Zukunft möglich sein wird, ihn zu beenden.
Goodman argumentiert, dass beide von der Linken bzw. der Rechten vorgeschlagenen Lösungen – Teilung in zwei Staaten oder Übertragung israelischer Souveränität über das gesamte Land – verheerende Fehler aufwiesen. Die Teilung sei aus Sicherheitsgründen unmöglich und Souveränität aus demografischen/politischen Gründen. Das Management wird von beiden Seiten als suboptimal angesehen; aber er denkt, es gäbe keine Alternative.
Es überrascht nicht – der schwächste Teil der Argumentation Goodmans ist seine Diskussion darüber, wie geeignete Managementinstrumente – vorwiegend wirtschaftliche Anreize – letztlich zu einem Wandel des palästinensischen Bewusstseins oder wenigstens zu einer pragmatischen Entscheidung ihrerseits führen sollen, um irgendeine Form der Nichtkriegsführung oder sogar der Kooperation zu akzeptieren. Genau wie die Vertreter der Zweistaatenlösung verweigert Goodman das Verständnis für seine Feinde, weil die Konsequenzen eines solchen Verständnisses zu beunruhigend sind.
Als das Buch zunächst auf Hebräisch erschien, war es hier eine kleine Sensation. Sogar Bibi Netanyahu, der Mann, den die New York Times gerne als „Israels rechtsextremen Hartliner-Ministerpräsidenten“ bezeichnete, wurde damit gesehen. Auf jeden Fall scheint die Grundidee der Konfliktbewältigung, wenn nicht sogar die Details, von der gesamten politischen Mitte, einschließlich Netanyahu, Bennett, Gantz, Lapid und anderen als Politik übernommen worden zu sein. Dieses Konzept scheint besonders professionellen Politikern zu gefallen, weil Politiker per Definition gerne kurzfristige „Lösungen“ für hartnäckige Probleme haben und damit die Lösung des Problems auf die lange Bank schieben. Warum Risiken eingehen, wenn man sie nicht eingehen muss?
Diesem Denkansatz zufolge sollte alles, was getan werden kann, um die palästinensische Wirtschaft (als ob es im wirklichen Sinn eine gäbe!) zu verbessern, innerhalb der Grenzen unserer Sicherheit auch getan werden. Die palästinensischen Gebiete werden 4G (irgendwann auch 5G-)Internet- und Telefondienste erhalten; wir werden weiterhin Treibstoff und Strom in den von der Hamas regierten Gazastreifen verkaufen; [und] während wir noch versuchen, die Löcher im Sicherheitszaun entlang der Grünen Linie zuzustopfen, werden weitere Arbeitsgenehmigungen für die Bewohner der Gebiete erteilt. Manchmal führt diese Politik zu Absurditäten. Zum Beispiel erhebt Israel gemäß den Osloer Abkommen Einfuhrzölle für die Palästinensische Autonomiebehörde und transferiert ihr das Geld. Nachdem die Knesset ein Gesetz verabschiedet hatte, um davon die Summe abzuziehen, die dem Betrag entspricht, den die PA inhaftierten Terroristen oder den Familien von „Märtyrern“ bezahlt, arrangierte Verteidigungsminister Gantz ein „Darlehen“ an die PA, um ihren Verlust auszugleichen.
Beachten Sie, dass die Argumente für und gegen diese Politik nicht darauf gerichtet sind, ob es gut für uns ist, der PA zu helfen, sondern vielmehr auf die damit verbundenen Sicherheitsaspekte. Also argumentiert Gantz, dass es wichtig ist, die PA zu unterstützen, denn wenn sie auseinanderbricht, wird die Hamas das Kommando in Judäa und Samaria übernehmen, was für uns schlimmer wäre als die von der Fatah dominierte PA. Dasselbe trifft auf den Gazastreifen zu: Indem wir der Hamas-Führung erlauben, sich durch Zweckentfremdung von aus Katar erhaltenen Geldern zu bereichern und wir Gaza mit Trinkwasser und Elektrizität für den Betrieb in Raketenproduktionsstätten versorgen, animieren wir sie (zumindest zeitweise), diese Raketen nicht abzuschießen. Aber niemand fragt nach den langfristigen Folgen, wenn wir faktisch unsere Feinde dafür bezahlen, dass sie uns nicht töten.
Management macht den überlegten Einsatz von Zuckerbrot und Peitsche erforderlich. In Judäa und Samaria finden fast jede Nacht Razzien statt, um Terroristen, die Anschläge planen, festzunehmen oder zu töten. Regelmäßig wiederkehrend kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Hamas, bei denen Waffenfabriken und -depots bombardiert werden. Erst in der vergangenen Woche hat die IDF den Kopf einer besonders üblen Gruppe von Terroristen, dem palästinensisch Islamischen Jihad, ausgeschaltet (aber es wird Geld aus dem Iran fließen, jüngere Männer werden antreten und der Kopf wird nachwachsen).
Der kurzfristige Charakter dieser Politik ist offensichtlich. Die PA/PLO-Führung und die der Hamas sowie ein großer Teil der palästinensischen Araber, die deren Ideologie teilen (unabhängig davon, ob sie die korrupte und diktatorische Führung mögen oder nicht) werden durch diese Politik nicht gemäßigter. Allerdings ist es beleidigend für sie, das zu behaupten! Wie ich bereits ausgeführt habe, ist Widerstand eine essentielle Ausprägung ihrer palästinensischen Identität, der sie von anderen Arabern unterscheidet. Aus diesem Grund können wir z.B. Frieden schließen mit den Vereinigten Emiraten, aber nicht mit der Hamas. Wir können sie nicht kaufen und sie dazu zwingen, ihre Identität aufzugeben.
Als Antwort auf das Argument, dass wirtschaftliche Verbesserungen und Bildung letztendlich zur Mäßigung führen werden, verweise ich auf die arabischen Bürger Israels und die Araber in Jerusalem. In beiden Fällen haben sie einen besseren Lebensstandard, eine bessere Gesundheitsversorgung, bessere bildungs- und Beschäftigungschancen und größere politische Freiheit als die Araber, die woanders im Nahen Osten wohnen. Und trotzdem haben sie sich in den vergangenen Jahrzehnten radikalisiert, wie die Ausschreitungen im vergangenen Mai in Israels gemischten Städten gezeigt haben.
Den Konflikt zu managen ist nur ein kurzzeitiges Mittel, und ein schlechtes dazu, denn es erlaubt unseren Feinden, mit der Zeit immer mächtiger zu werden, wie wir es an der Hamas gesehen haben. Nach wiederholten Operationen, um „das Gras zu mähen“, stellen wir fest, dass das Gras jedes Mal höher und zäher wird. Irgendwann werden wir nicht mehr in der Lage sein, es zu mähen.
Übersetzung: faehrtensuche
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