Dienstag, 28. Mai 2013: 9.20 Uhr. Zeit für das WDR-5-Tagesgespräch.
„Das ‚WDR5-Tagesgespräch‘ stellt an jedem Werktag [montags bis freitags] dem WDR5-Publikum eine Frage zum aktuellen Geschehen: Wie finden Sie den Regierungsstil von Angela Merkel? Darf ein Fußballprofi so viel verdienen? Soll auf Deutschlands Autobahnen ein Tempolimit herrschen? […]“
Anwesend beim „Tagesgespräch“ ist – außer dem Moderator – ein Studiogast, der jeweils als Experte für das anstehende Gesprächsthema vorgestellt wird. Der Hörer kann sich telefonisch oder auch per Kommentarfunktion an der Erörterung des Themas beteiligen.
Ausgangspunkt der Diskussion heute Morgen war die in der vergangenen Nacht von den EU-Außenministern ausgehandelte Einigkeit, dass es nun einzelnen EU-Staaten (Großbritannien und Frankreich) ermöglicht wird, Waffen an die „Aufständischen“ nach Syrien zu liefern, um sie im Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen. Somit läuft mit Beginn des nächsten Monats das Waffenembargo aus, Sanktionen wie z.B. das Einfuhrverbot von Öl oder Verbote von Finanztransaktionen sollen jedoch bestehen bleiben.
Also lautet das Thema: Waffen für Syrien? Mit im Studio: „Nahostexperte“ Dr. Michael Lüders. Lüders ist (fast) immer zur Stelle, wenn es um „Nahost“ geht. Jedenfalls beim WDR. Er wird so gehandelt, als ob es keinen kompetenteren Mann als ihn gäbe. Er passt ins Bild der auf ausgewogene und faire Berichterstattung bedachten Medien, die Fakten mit Meinung und/oder Spekulation verwechseln und dieses auf geschickte Art und Weise dem Leser, Hörer oder dem Zuschauer zu vermitteln versuchen. Warum jemand ins Studio bemühen, der zunächst einmal an den Fakten interessiert ist und sich erst dann eine eigene Meinung bildet?
„Welchen Kurs sollte die europäische Union gegenüber Syrien verfolgen? Wie erkennen Sie diejenigen in diesem Bürgerkrieg [?], die Unterstützung von außen erhalten sollten?“, so Sabine Brandi in der Anmoderation.
Michael Lüders, der Studiogast und Nahostexperte, „enttäuscht“ nicht, ist so, wie man ihn bereits kennt. Zum Ende der Sendung hin charakterisiert er die Lage in Syrien so: „Erstens sehr komplex, zweitens sehr chaotisch und drittens ist es im Grunde genommen wie ein Fluidum, es ist wie eine sumpfiger werdende Landschaft, wo niemand weiß, was als nächstes passiert.“ Das sind keine Informationen, die weiterführen oder ein umfassenderes Bild verschaffen. Auch seine Äußerung, dass „durch eine bestimmte Handlung bestimmte Reaktionen, Gegenreaktionen ausgelöst werden können, die dann zu großen Explosionen führen“, bringt nicht wirklich weiter. Als Resumee mehr als mager!
Bezeichnend ist Lüders ausgesprochene „Obsession“ von Israel. Bei der Frage einer Hörerin, die den zuvor geäußerten Begriff eines Stellvertreterkrieges aufgreift und wissen will, „inwieweit Israel diese Entwicklungen, die neuen Entwicklungen weiterhin [!] nutzt, um die Aufrüstung und die eventuellen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran zu motivieren – über die Situation in Syrien?“ kommt Lüders in Fahrt. Zunächst bestätigt er, dass diese Frage sehr berechtigt sei, um sofort anschließend (quasi im gleichen Atemzug) auf „einen sehr interessanten israelischen Leitartikler, Gideon Levy“ [!] zu verweisen, der „in der linksliberalen israelischen Zeitung Ha’aretz“ schreibe – der Zusatz, dass dessen Lektüre eigentlich jedem zu empfehlen sei, fehlt nicht, auch nicht der Verweis auf den englischsprachigen Internetauftritt der Ha‘aretz [Lüders: „mühelos zu finden“ ] – um dann folgendes von sich zu geben (wörtlich!):
„Gideon Levy schrieb, vor drei Wochen, als die Israelis zum insgesamt dritten Mal militärische Ziele in Syrien angegriffen hatten, dass die israelische Regierung versucht, die Lage in Syrien zu eskalieren, um die USA in diesen Krieg hineinzuziehen, nicht weil sie die in Syrien notwendige Veränderung herbeiführen wollen, sondern weil sie über den Umweg Syrien den Showdown mit dem Iran suchen.“[!]
Eine geschickte Verbindung von Lüders eigener Meinung mit der Meinung Levys, nicht wahr? Jedenfalls ist es schwer zu unterscheiden, wem man die Aussage, dass die Israelis zum dritten Mal angegriffen hätten, zuordnen soll, Lüders, Levy oder etwa beiden? Lüders lässt keinen Gedanke daran aufkommen, dass er hätte erklären müssen, warum Israel so agierte; ja, so agieren musste! Oder sollte Israel tatenlos zuschauen, wie sich die vom Iran unterstützte libanesische Hizbollah aufrüstet? Schon mal daran gedacht, dass Israels Existenz auf dem Spiel steht und von allen Seiten bedroht wird, Herr Lüders? Außerdem: Gibt es irgendwelche Hinweise, dass Israel den Krieg in Syrien dazu benutzt, um die USA in „den Krieg hineinzuziehen“? Lüders stellt das einfach so in den Raum, kommentiert es nicht. Dadurch, dass er Levy kommentarlos zitiert, macht er sich mit Levys Meinung eins. Hätte er eine andere Meinung, hätte er sie an dieser Stelle äußern müssen! Zudem ist es sehr „praktisch“ und „nützlich“ für die eigene „weiße Weste“, wenn man sich als „Israelkritiker“ auf einen Juden berufen kann, der eine ebenso verkorkste Meinung zu Israel hat wie man selbst, hier wie Lüders. So kann man sich auch „outen“, nur ist es nicht so direkt.
Lüders führt weiter aus, dass Israel von der Entwicklung in Syrien überrascht worden sei. Überrascht? Woher weiß er das? Auch spricht er davon, dass Israel sich immer „bestens arrangiert“ hätte mit Baschar al-Assad, ebenso wie vorher mit dessen Vater Hafiz al-Assad. Lüders meint, die „Golanhöhen, die Frontlinie zwischen Syrien und Israel“ wären seit 1967 immer „vollkommen ruhig“ gewesen, es hätte „nie einen Schusswechsel gegeben hier an dieser kritischen Grenze“. Was fehlt, ist der Zusatz: bis 2011. Dass es seitdem nicht nur einen Zwischenfall gegeben hat, sondern eine ganze Reihe davon – nicht der leiseste Hinweis! Lüders spricht in diesem Zusammenhang von einem Kurswechsel Israels, nur dass ein nicht genügend informierter Hörer den nicht verstehen kann, weil ihm Zusatzinformationen vorenthalten werden. Auch bleibt unklar, warum Lüders meint, Israel habe einerseits plötzlich [!] Angst vor Dschihad-Kämpfern, die den Golan benutzen könnten als Front gegen Israel, andererseits wünsche sich Israel aber eine Schwächung von Assads Macht.
Alles in allem: Was Herr Lüders da abliefert, ist ein perfides Konglomerat aus Fakten, Meinung, Spekulation! Israel wird (wieder einmal) als Aggressor und Bösewicht dargestellt. Offensichtlich und mit den Händen zu greifen ist, dass Lüders nicht zu denen gehört, die wirklich aufklären und informieren wollen. Lüders gießt Öl ins Feuer und heizt die „Massen“ an. Das mag vielleicht seinen Platz beim Champignons League-Endspiel haben, hat aber nichts mit fairer, gut recherchierter und auf Fakten basierender Berichterstattung zu tun!